Kommunikation und Gesprächsführung

Ausbildungsmarketing und E-Recruiting im Pflegesektor

Text: Cylia Messer | Foto (Header): © Foto: Daniel Ernst – stock.adobe.com

Das in vielerlei Hinsicht von der Corona-Pandemie geprägte Jahr 2020 brachte ein historisches Tief auf dem Ausbildungsmarkt hervor. Der neue Berufsbildungsbericht 2022 zeigt zwar eine leichte Steigerung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2021, jedoch liegen die Zahlen weit unter denen von 2019. Vakanzen in 61 Prozent der Pflegeeinrichtungen und das Ergebnis von Schätzungen, dass in den nächsten Jahren bis zu 200 000 Vollzeitstellen unbesetzt sein werden (Bertelsmann Stiftung 2015), verdeutlichen, dass qualifiziertes Personal in der deutschen Pflegebranche nur unzureichend zur Verfügung steht. Gleichermaßen erhöht sich mit fortschreitender gesellschaftlicher Alterung – nach Prognose des Statistischen Bundesamts wird von einer Steigerung der Anzahl von Pflegebedürftigen von derzeit 2,5 auf 4,7 Millionen ausgegangen – stetig der Bedarf an stationären und ambulanten Pflegedienstleistungen. Der Fachkräftemangel in Pflegebetrieben wird immer deutlicher; so könnten laut dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bis zum Jahr 2035 etwa 307.000 Pflegekräfte in der stationären Versorgung fehlen.

Auszug aus:

Die Praxisanleitung
Ausgabe 04.2022
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Dieses Dilemma stellt die deutsche Pflegewirtschaft vor große Herausforderungen und es gilt die Attraktivität des Berufsfeldes zu steigern. Es wird nach nachhaltigen, flexiblen Lösungen und Maßnahmen für ein zukunftsfähiges Personalmanagement gesucht und das sorgsame Einsetzen von vorhandenem Pflegepersonal sowie die Ausbildung von mehr Nachwuchs entspricht den Bemühungen von Politik, Verbänden und Arbeitgebern. Als besonders relevante Strategien von proaktiven Arbeitgebern im Pflegesektor gelten zudem besondere Anreize für das Fachpersonal. Gemeint sind hiermit beispielsweise eine effiziente Mitarbeiterbindung und -wertschätzung, attraktive und flexible Dienstplangestaltungen oder auch fachliche Weiterbildungsangebote. Das Ausbildungsmarketing als Sonderform des Personalmarketings umfasst zudem alle Maßnahmen, die Betriebe umsetzen, um für potenzielle Auszubildende als attraktiver Arbeitgeber zu gelten. Verschiedene Recruiting-Prozesse dienen in diesem Zusammenhang der Gewinnung von geeigneten Fachkräften auf vakante Stellen.

Recruiting: Strategien der Personalgewinnung

Klassische Ausbildungsanzeigen als Teil des Ausbildungsmarketings können über Fachzeitschriften, Tageszeitungen oder ausgehängte Werbeplakate potentielle Auszubildende und Interessierte, auch über Bekannte und Verwandte, visuell erreichen. Für Personaler eröffnen sich hinsichtlich geeigneter Recruiting-Prozesse jedoch vielfältige Möglichkeiten zur Umsetzung der Maßnahmen. Unter der Berücksichtigung von Qualität, Quantität, Raum und Zeit dient das Recruiting in erster Linie der Deckung des benötigten Personalbedarfes. Es kann sowohl auf internes als auch auf externes – hierbei inbegriffen auch internationales – Recruiting von Pflegekräften zurückgegriffen werden.

Die nach innen gerichtete Suche ermöglicht es, auf bereits vorhandenes Personal zurückzugreifen und dieses somit auch langfristig binden zu können. Erprobte Qualifikationen sind hierbei bereits bekannt und die Beschäftigten können von Beginn an auf spätere Aufgaben vorbereitet werden. Grundsätzlich bewerben können sich beim internen Recruiting auf ausgeschriebene Stellen, welche zusätzlich auch extern geschaltet werden können, alle Mitarbeitenden des eigenen Betriebes, deren Qualifikationen auf die in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen passen. Während u.a. voraussichtlich kürzere Einarbeitungszeiten klare Vorteile des internen Recruitings sind, besteht bei dieser Maßnahme die Gefahr eines Verlustes von neuen Impulsen und Ideen von außerhalb.

Aufgrund dessen kann es ratsam sein, den Blick zu erweitern und ebenso auf außerhalb des eigenen Unternehmens zu richten. Zum einen können bereits eingegangene, frühere Bewerbungen aus entsprechenden Datenbanken neu gesichtet und bewertet werden (zu beachten gelten in diesem Rahmen die datenschutzrechtlichen Vorgaben der Art. 7 ff., 13. ff. der EU-Datenschutzverordnung: Die Bewerber müssen in die längerfristige Speicherung der personenbezogenen Daten eingewilligt haben und haben jederzeit einen Anspruch auf die Löschung der eigenen Daten). Neben dieser recht simplen Strategie kann zum anderen ein aktiver Bewerbungsprozess eingeleitet werden, welcher die Veröffentlichung einer externen Stellenausschreibung sowie gegebenenfalls ein persönliches Anwerben auf Messen o.ä. beinhaltet. Hierbei kann auch die Kontaktaufnahme mit Schulen gedacht werden, um künftige Auszubildende direkt dort „abzuholen“. Der höhere (Zeit-) Aufwand gilt hierbei als Nachteil, wenn auch neue Betrachtungsweisen von extern Beitretenden zuvor festgefahrene Verhaltens- und Unternehmensmuster „aufbrechen“ und Optimierungsprozesse eintreten können.

Praxistipp: Das Angebot von Praktika

Als weitere Strategie des Ausbildungsmarketings gilt das Anbieten geeigneter Praktikantenstellen, um Interessierten einen konkreten Einblick in den Betrieb zu ermöglichen. Die Praktikanten erhalten hierbei die Chance, Bedingungen und Abläufe des Pflegesektors kennenzulernen und der Anreiz für eine Ausbildung zur Pflegefachkraft wird gefördert. Für den Pflegeberuf begeisterte Praktikanten können anknüpfend an diese Erprobungsphase so für ein Ausbildungsverhältnis im eigenen Betrieb gewonnen werden, weshalb dieser Zeitraum von den Unternehmen gut vorbereitet werden sollte. Ein offenes Ohr für Fragen und Unsicherheiten, eine kontaktfreudige sowie kollegiale Atmosphäre im gesamten Team und eine geduldige Erklärung der anfallenden Aufgaben im Pflegealltag gegenüber den Praktikanten können das Interesse an einer entsprechenden Ausbildung erhöhen.

E-Recruiting

Neben dem herkömmlichen Anwerben hat sich eine weitere nachhaltige und effiziente Lösung etabliert: das E-Recruiting als Methode der Personalbeschaffung in elektronischer Form. Hierbei wird (gegebenenfalls zusätzlich) auf elektronische Kanäle wie Online-Jobbörsen, Social-Media-Kanäle, E-Mails, Karrierewebsites oder entsprechende Applikationen zurückgegriffen. In diesem Zusammenhang können einige Vorteile von digitalem Recruiting genannt werden:

  • Die Reichweite von Stellenausschreibungen gegenüber potenziell Interessierten wird erhöht.
  • Langfristig kann zu einer Kosten- sowie Zeitersparnis beigetragen werden.
  • Schnelles Feedback wird ermöglicht.
  • Die Kandidaten können individuell angesprochen werden,
  • Stellenausschreibungen sind schnell und mobil abrufbar.
  • Das Recruiting wird effizienter und transparenter für Personalabteilungen.
  • Eine geeignete Softwareunterstützung erleichtert administrative Tätigkeiten und manuelle Datenpflege.
  • Fehler, welche durch die Eingabe von Daten entstehen können, werden reduziert.
  • Der Bewerbungsprozess wird beschleunigt und durch ein schlankes Online-Formular für die Kandidaten vereinfacht.

Trotz der genannten möglichen Vorteile des E-Recruiting offenbarte der Azubi-Report 2021 des Informationsportals Ausbildung.de einen Optimierungsbedarf im digitalen Prozess der Ausbildungsbetriebe. Demnach werden Bewerbungen laut jedem zweiten Auszubildenden aufgrund technischer Schwierigkeiten abgebrochen: So gaben 19% der Befragten an, die Online-Bewerbung als zu komplex zu empfinden; bei 18% gab es Hürden beim Hochladen der notwendigen Unterlagen; 12% stießen bereits bei der Registrierung auf Probleme. Auf diese Weise erfahren Betriebe einen Verlust potenzieller Bewerber, ohne dies jedoch zu bemerken.

Auch wenn potenzielle technische Schwierigkeiten nicht immer im Einzelnen identifiziert oder verhindert werden können, gibt es doch Maßnahmen, welche die Erfolgsquote des E-Recruitings steigern können. Beispielsweise fördert eine Suchmaschinenoptimierung die Reichweite und Sichtbarkeit der angebotenen (Ausbildungs-) Stellen. Die Definition des Begriffes umfasst hierbei alle möglichen Handlungsmaßnahmen, welche ermöglichen, die Sichtbarkeit der Stellenanzeigen in Suchmaschinen als erste Anlaufstelle, wie beispielsweise Google, zu steigern. Grundlage hierfür ist die Verwendung entsprechender Keywords. Diese Suchbegriffe müssen sowohl zu der Zielgruppe passen als auch möglichst oft von eben dieser online recherchiert werden. Die Ausschreibung sollte demnach also möglichst viele Informationen und relevante Keywords enthalten, um weit oben in den online stehenden Suchergebnissen zu erscheinen. Um herauszufinden, welche Keywords hier am geeignetsten sind, können Tools wie der ‚Google Keyword-Planner‘ helfen, welcher Stellentitel mit dem höchsten Suchvolumen angibt. Ebenfalls sollte die Zielgruppe insofern analysiert werden, als dass deren Interessen hinterfragt werden, um der Frage auf den Grund zu gehen, wonach diese im Internet am ehesten suchen.

Zusätzlich erhöht Social Media Recruiting die Reichweite des E-Recruitings. Die Prozesse der Personalbeschaffung werden durch die Nutzung sozialer Netzwerke unterstützt und Stellenanzeigen gezielt über Businessplattformen wie beispielsweise Xing und Linkedin oder andere soziale Kanäle (z.B. Twitter oder Facebook) verbreitet. Auch werden die Kandidaten direkt und gezielt angesprochen. Zudem wird  nach zusätzlichen Informationen zu potenziellen Kandidaten auf deren Profilen gesucht.

Für welche Strategien im Einzelnen sich Unternehmen auch entscheiden: Ein modernes Recruiting ist ohne digitale und technische Unterstützung kaum noch möglich. Während der Fachkräftemangel die Komplexität der Personalbeschaffung erhöht, steigen gleichermaßen auch die Ansprüche Interessierter/ Auszubildender an schnelle, einfache und ‚mobile‘ Bewerbungsprozesse. Recruiter erreichen die gesuchten Zielgruppen währenddessen besser durch eine Präsenz auf mehreren und verschiedenen digitalen Kanälen.

Hinweis:

Die Pflegebetriebe sollten sich gerade angesichts einer Vielzahl von vorhandenen Systemen im Vorfeld intensiv mit den in Frage kommenden Plattformen und Softwares auseinandersetzen, um eine Effektivität des E-Recruiting zu gewährleisten und durch entsprechende technische Funktionen zu fördern. Einkalkuliert werden sollten hierbei ebenfalls etwaige Schulungen für die Beschäftigten sowie die Kosten der Anschaffung und Einrichtung einer gewählten Software. Diese sollte im Idealfall:

  • Bewerberdaten automatisch erfassen und verwalten.
  • Stellenanzeigen unkompliziert auf verschiedenen Kanälen veröffentlichen (‚Multiposting‘).
  • Kommunikation/ Interaktionen mit Interessierten und Bewerbern ermöglichen.
  • Nutzerfreundlich und unkompliziert bedienbar sein.
  • Rollenbasierte Zugriffe vorsehen.
  • Einer DSGVO-konformen Datenverarbeitung entsprechen.
  • Über Kollaborationsmöglichkeiten und einen Kundenservice verfügen.

Ausblick: Onboarding – Auszubildende binden und integrieren

Ist das Recruiting geglückt und der Ausbildungsvertrag erst einmal geschlossen, gilt es die ‚neuen Beschäftigten‘ erfolgreich in den Pflegebetrieb zu integrieren und Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Für diese Berufseinsteiger verändert sich der Tagesablauf und das kollegiale Umfeld vollständig, was individuelle Unsicherheiten mit sich bringen kann. Die Onboarding-Phase wird hierdurch umso wichtiger; In den ersten Wochen sollte der Ausbilder auf die Berufsanfänger aktiv zugehen und etwaige Schwierigkeiten offen ansprechen. Aktionen wie ein gemeinsames Frühstück oder Führungen durch das Unternehmen inklusive der Vorstellung aller Kollegen fördern den Wohlfühlfaktor für die jungen Auszubildenden. Eine konsequente Begleitung und die Möglichkeit, die Ausbildung aktiv und selbst mit neuen Ideen mit gestalten zu können, erhöht deren Motivation zusätzlich. Die Einarbeitungszeit kann zudem durch interaktive Mitarbeiterportale oder auch Videoclips mit den wichtigsten Informationen des Unternehmens erleichtert werden.

Die Autorin

Cylia Messer

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